Nebel
- Jeannette Matthies

- 14. Okt.
- 2 Min. Lesezeit

Zeit vergeht, es ist schon Oktober. Ich liebe den Herbst. Letzte Sonnenstrahlen, ein bewölkter Himmel, etwas Regen und Wind – und es ist die beste Zeit für Nebel in Westeuropa. Meine liebste Jahreszeit. Als Fotografin liebe ich am Herbst vor allem den Nebel.
Nebel ist mysteriös und sehr selten, wo ich lebe, in Berlin. Nebel trennt einen – sehr still - vom Rest der Welt. Es ist das perfekte Wetter für Minimalisten. Wenn man an eine bestimmte Jahreszeit denkt, hat man sehr wahrscheinlich sofort Farben im Kopf. Grün für den Frühling, weiß für den Winter (zumindest früher mal ...) und mit den Farben kommen Emotionen.
So ist es auch mit besonderen Wetterbedingungen. Ich weiß, die meisten Menschen lieben die Sonne. Ich liebe sie auch, aber nichts verbindet mich stärker

mit der Natur, nichts beruhigt mich so sehr wie Nebel.
In den letzten Jahren habe ich den Nebel regelrecht gejagt. Zum Beispiel war ich einen Monat lang im November 2024 in Porto – kein einziger Tag mit Nebel. Es gab einen Regentag (siehe Foto), aber alle anderen Tage waren sonnig und warm. Das war schade, denn mir wurde Nebel versprochen und ich hatte gehofft, viele neblige Fotos aus Porto mitzubringen. Ich glaube das Nebel Geheimnisse birgt und die seltsamsten Erwartungen aufkommen lässt. Man weiß nie, was hinter dieser dichten, dicken Wand aus Luft liegt.

Hast du schon einmal jemanden im einsamen Nebel getroffen? Eine Person, die vorbeigeht. Erst sieht man nur eine Bewegung hinter der weißen Wand, einen dunklen Schatten und ein paar Meter später wird klar – jemand kommt auf dich zu. In diesem Moment könnte sonst etas erscheinen, es würde mich nicht wundern, selbst wenn es ein Alien wäre. Genau das macht der Nebel. Im Nebel scheint alles möglich. Die seltsamsten Dinge.
Im Nebel zu stehen, ist ein Schub für die Fantasie. Ich empfinde Nebel auch als etwas, das mich einsam fühlen lässt – auf sehr natürliche Weise. Der Dichter Hermann Hesse schrieb über die Einsamkeit im Nebel, selbst für die Natur:
Im Nebel — Hermann Hesse (1877–1962)
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.…
Für Landschaften oder Objekte tut Nebel etwas sehr Feines. Er hebt ein Motiv heraus. Einen Baum, ein Dach, eine Brücke. Er lässt dich dich auf dieses eine

Element konzentrieren und seine Schönheit sehen. Unter meinen Fotos siehst du eines mit einer Laterne und einem Radfahrer. Ich stand einfach dort, habe die Laterne beobachtet und gewartet, wer sich ihr nähern würde - stundenlang. Wenn man genau hinsieht, erkennt man hinter dem Fluss eine weitere Insel und ein Boot – all das wird vom Nebel ausgeblendet, sodass der Blick nur auf der Laterne ruht. Es ist die zenhafteste Wetterlage, die ich kenne.
Fog — Carl Sandburg (1878–1967)
The fog comes
on little cat feet.

It sits looking
over harbor and city
on silent haunches
and then moves on.
Nebel — Carl Sandburg (1878–1967)
Der Nebel kommt
auf leisen Katzenpfoten.
Er sitzt und schaut
über Hafen und Stadt
still kauernd
und zieht dann weiter.

Genießt den Nebel!



